Erwartungen von FEMNET/ CCC an das Textilbündnis und die Bundesregierung

Stellungnahme des CorA-Netzwerks für Unternehmensverantwortung und der Kampagne für Saubere Kleidung zum Textilbündnis (Download als PDF-Datei)

Die Kampagne für Saubere Kleidung (CCC) und das CorA-Netzwerk für Unternehmensverantwortung setzen sich seit vielen Jahren für die Einhaltung von Menschenrechten sowie international vereinbarten sozialen Standards und Normen bei transnationalen Unternehmen, ihren Tochterfirmen und Zulieferern ein.

Die Fabrikbrände in Pakistan und Bangladesch im Herbst 2012 sowie der Einsturz des Rana Plaza Gebäudes im April 2013 mit Tausenden von Toten und Verletzten haben gezeigt, dass in den Produktionsländern von Textilien nicht einmal die Einhaltung von Minimalstandards in Bezug auf Sicherheit und Gesundheitsschutz gewährleistet ist. Auch weitere Probleme wie Löhne, die kaum zum Überleben reichen, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, die Einschränkung der Gewerkschaftsfreiheit sowie der Einsatz giftiger und gesundheitsgefährdender Chemikalien sind bereits seit Jahren bekannt.

Angesichts solcher Tatsachen fordern das CorA-Netzwerk für Unternehmensverantwortung und die CCC gesetzliche Regelungen wie z. B. die Einführung einer verbindlichen menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht, wie sie die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte nahelegen. Gesetzliche Regelungen würden dafür sorgen, dass alle Unternehmen die Menschenrechte sowie international vereinbarte soziale und ökologische Normen einhalten würden. Unternehmen wären dann verpflichtet, die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf Menschenrechte und Umwelt entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu identifizieren und zu untersuchen, negativen Auswirkungen entgegenzuwirken und eingetretene Schäden zu beheben und wiedergutzumachen

Da angemessene gesetzliche Regelungen noch nicht bestehen, begrüßen CCC und das CorA-Netzwerk das freiwillige Bündnis für nachhaltige Textilien des Ministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Gerd Müller als einen wichtigen Schritt, um öko-soziale Standards in der globalen Lieferkette von Textilien voranzubringen. Erfreulich ist, dass die gesamte Wertschöpfungskette vom Baumwollfeld bis zum Endprodukt miteinbezogen wird und Unternehmen in Deutschland ihre Einkaufspolitik durch angemessene Preise und Lieferzeiten verändern sollen. Ein weiterer positiver Aspekt ist, dass die Anforderungen des Aktionsplans die Zahlung existenzsichernder Löhne anstrebt. Hierfür sind Zeitziele des Bündnisses bis 2020 bzw. 2025 angesetzt. Außerdem setzt sich der Aktionsplan das Ziel, Rahmenbedingungen in den Produktionsländern zu verbessern und Handlungsempfehlungen für Politik und Politikkohärenz in Deutschland sowie der EU auszusprechen. Es ist also klare Absicht, auch auf der EU- und internationalen Ebene aktiv zu werden.

Als größtes Hindernis sehen das CorA-Netzwerk und die CCC, dass keiner der großen Akteure wie Adidas, Aldi, KiK, Lidl, Otto, Tchibo, Puma oder die Handelsverbände HDE und AVE dem Textilbündnis bisher beigetreten sind. Auch mehr als 100 Tage nach der Gründung besteht das Bündnis fast nur aus Mitgliedsunternehmen, die sich auch vorher schon einen Namen dadurch gemacht haben, fair und ökologisch zu produzieren.

Die Weigerung der großen Akteure, dem Bündnis beizutreten, unterstreicht noch einmal die Dringlichkeit, verbindliche Regeln für alle Unternehmen einzuführen. Unternehmen sollten sich nicht aussuchen können, ob sie ihrer bestehenden menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Verantwortung nachkommen oder nicht.

Konkrete Erwartungen an das Textilbündnis und die Bundesregierung:

Wenn bis Juni 2015 die großen Unternehmen nicht einem freiwilligen Bündnis beitreten, soll bis Ende 2015 durch die Bundesregierung eine Vorlage für eine gesetzliche Regelung erarbeitet werden. Dieses Gesetz soll eine verbindliche menschenrechtliche Sorgfaltspflicht entlang der gesamten Wertschöpfungskette inkl. Sanktionen für Unternehmen bei Verstößen umfassen, wie sie die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte nahelegen. Minister Müller hat bereits eine solche gesetzliche Regelung ins Gespräch gebracht, sollte das freiwillige Bündnis nicht zustande kommen.

Sofern eine kritische Masse an Unternehmen und Verbänden dem Bündnis für nachhaltige Textilien bis Juni 2015 beitreten, erwarten CCC und CorA:

  1. Der Aktionsplan einschließlich der in ihm formulierten Zeitziele sollte weiter präzisiert und zügig umgesetzt werden.
  2. In ausgewählten Produktionsländern (Indien, Bangladesch u.a.) sollten mit der Unterstützung des BMZ Pilotprojekte auf den der Konfektion vorgelagerten Stufen (Baumwollproduktion, Spinnen, Weben) begonnen werden.
  3. Das BMZ sollte die Entwicklung von glaubwürdigen Verifizierungsinitiativen und Zertifizierungen mit hohem Anspruch unterstützen.
  4. Die Bundesregierung sollte ihre eigene Einkaufsmacht für die Einhaltung hoher sozialer und ökologischer Kriterien bei der Herstellung von Bekleidung nutzen, indem sie ihre Beschaffung konsequent an ökologischen und sozialen Kriterien ausrichtet. Sie kann mit Inkrafttreten der neuen EU-Vergaberichtlinie solche (Arbeits-)Bekleidungsunternehmen beim öffentlichen Einkauf bevorzugen, die z. B. dem Bündnis beigetreten sind oder glaubwürdige Nachweise vorlegen können.
  5. Eine verpflichtende Nachverfolgbarkeit von Textilien sollte eingeführt und Transparenz sollte durch Veröffentlichung von EU-Importpapieren und Zollerklärungen hergestellt werden, z. B. durch Einführung eines elektronischen Labelsystems oder einer Verbindung zwischen einer Labelnummer und einer Online-Datenbasis.
  6. Auf EU-Ebene sollte die Bundesregierung zusammen mit anderen Staaten eine an Menschenrechten orientierte Handelspolitik vorantreiben. Diese sollte beinhalten:

a) eine systematische Untersuchung möglicher Auswirkungen auf die Menschenrechte von EU-Handelsabkommen vor deren Unterzeichnung. In bisherigen Nachhaltigkeitsfolgenabschätzungen werden die Auswirkungen auf die sozialen Menschenrechte von Armutsgruppen, wie zum Beispiel Textilarbeiter/-innen, nicht untersucht. Bei der anstehenden Überarbeitung des Handbuchs zu Nachhaltigkeitsfolgenabschätzungen von Handelsabkommen der EU sollten Menschenrechte als grundlegendes Kriterium verankert werden. Zudem dürfen die Verhandlungen nicht mehr geheim stattfinden, sondern sollten transparent geführt werden. Der Zivilgesellschaft muss daher zukünftig Zugang zu den Verhandlungsdokumenten beider Parteien gewährt werden
b) eine Reform der bisher üblichen Menschenrechtsklauseln in EU-Handelsabkommen. Bislang wird die Umsetzung von Menschenrechts- und Sozialklauseln in Handelsabkommen kaum überprüft und Verstöße bleiben meist folgenlos. Zukünftig sollten Menschenrechtsklauseln eine Aussetzung und Revision von Vertragsbestimmungen ermöglichen, wenn diese sich als Gefährdung von Menschen- und Arbeitsrechten erwiesen haben. Es sollten zudem regelmäßige menschenrechtliche Folgenabschätzungen sowie die Einrichtung zivilgesellschaftlicher Beschwerdemechanismen in künftigen Handelsabkommen vorgesehen werden. Nach ca. zwei Jahren sollte eine Zwischenbilanz über die Umsetzung der Handelsabkommen, insbesondere die Einhaltung von Menschenrechts- und Sozialklauseln, von der Kommission vorgelegt werden.
c) eine systematische Überprüfung der Einhaltung menschenrechtlicher und arbeitsrechtlicher Anforderungen des Allgemeinen Präferenzsystems (APS), in dessen Rahmen zahlreiche Länder zoll- und quotenfreien (EBA) oder bevorzugten Zugang (APS+ und allgemeines APS) zum EU-Markt genießen. Im Falle ernsthafter und systematischer Verletzungen von Menschenrechtsabkommen und Kernarbeitsnormen der ILO sollte die EU von der im APS vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machen, Handelspräferenzen auszusetzen.

27.2.2015

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