26.04.2012: Trotz der Versprechen von Seiten der Industrie leiden junge Dalit-Frauen weiterhin unter ausbeuterischen Bedingungen in Indiens Bekleidungsindustrie

Titel der Studie Maid in IndiaDie holländischen Organisationen the Centre for Research on Multinational Corporations (SOMO) und The India Committee of the Netherlands (ICN) haben eine Folgestudie unter dem Titel „Maid in India“ veröffentlicht, die die Arbeitssituation der Textilangestellten in den Indien in den Blick nimmt. Die Lebens- und Arbeitssituation junger, oft unter 18-jährigen Dalti-Frauen, den sogenannten "Unberührbaren", sowie das Sumangali-Schema werden dabei aufführlich dargestellt und die bisherigen Bemühungen der europäischen und UA-amerikanischen Bekleidungshersteller kritisiert.

  

 

  

Pressemitteilung des Wissenschaftliches Zentrum für Multinationale Unternehmen (SOMO) und des Indien Komitee der Niederlande (ICN)

Amsterdam/Utrecht, 26. April 2012. Europäische und US-Bekleidungshersteller und -händler sind mit ihren Versuchen, die Arbeitsbedingungen bei ihren Lieferanten in Tamil Nadu (Südindien) zu verbessern auf ganzer Linie gescheitert. Trotz Versprechen der Konzerne und einer Reihe von gut gemeinten Initiativen für die Arbeiter, leiden weiterhin meist sehr junge Frauen unter ausbeuterischen Arbeitsbedingungen. Bis heute arbeiten Tausende Frauen in der Bekleidungs- und Textilindustrie in Tamil Nadu; ein großer Teil davon immer noch in Schuldknechtschaft. Dies sind die Ergebnisse des heute veröffentlichten Berichts „Maid in India“ des Zentrums für Forschung über multinationale Unternehmen (SOMO) und dem Indien Komitee der Niederlande (ICN).

Erneute Untersuchung

Der neue Bericht ist eine erneute Untersuchung von „Captured by Cotton“, in dem die ausbeuterischen Bedingungen in der Tamil Nadu Bekleidungsindustrie dokumentiert wurden. Als Reaktion auf den Bericht von 2011 versprachen europäische und amerikanische Markenunternehmen und Einzelhändler den Arbeitsrechtsverletzungen Einhalt gebieten zu wollen und konkrete Schritte zur Verbesserung der Situation einzuleiten. Ein Jahr später überprüften SOMO und ICN Anspruch und Wirklichkeit. Die Studie fußt auf gründlicher Feldforschung, bei der Interviews mit fast 200 ArbeiterInnen durchgeführt, Exportdaten analysiert und Untersuchung der Angaben von Compliance Initiativen begutachtet wurden. SOMO und ICN haben mehr als 70 amerikanische und europäische Markenunternehmen, Händler und Kaufhäuser ausfindig gemacht, die Waren von den vier untersuchten Fabriken beziehen bzw. vertreiben, so z.B. C&A, Diesel, American Eagle Outfitters, Primark, Decathlon, Philips van Heusen (Tommy Hilfiger), Quicksilver, aber auch unbekanntere Abnehmer, etwa Crystal Martin. „Maid in India“ zeigt, dass unter dem Druck kritischer KonsumentInnen einige Verbesserungen erzielt werden konnten, zugleich aber auch, dass die größten Missstände weiterhin vorhanden sind.

Große Probleme bestehen weiterhin

„Maid in India“ enthält Fallstudien von Eastman Exports, KPR Mill, SSM Indien und Bannari Amman. Amman. Dabei handelt es sich um vier große, in Tamil Nadu liegende, Bekleidungshersteller, die für westliche Unternehmen produzieren.

Die ArbeiterInnen werden sowohl von innerhalb als auch von außerhalb des Bundesstaates Tamil Nadu rekrutiert. Die Mehrheit sind junge Dalit-Frauen unter 18 Jahren aus armen Familien. Sie werden mit dem Versprechen eines anständigen Lohns, komfortablen Zimmern und in einigen Fällen mit einem Geldbetrag gelockt, der ihnen nach Abschluss des Vertrages ausgezahlt werden soll und den sie dann für ihre Mitgift verwenden können. Die Art der Rekrutierung und des Anstellungsverhältnisses werden als Sumangali-Schema bezeichnet. Diese Arbeitsmigrantinnen leben oft in streng überwachten werkseigenen Unterkünften. Dort bietet sich kaum Gelegenheit mit ihren Familien in Kontakt zu treten, geschweige denn mit Gewerkschaftsaktivisten oder ArbeitsrechtlerInnen. Die ArbeiterInnen arbeiten übermäßig viele Stunden: Mit dem Ableisten von Überstunden kann es in einigen Fällen vorkommen, dass sogar bis zu 24 Arbeitsstunden erzwungen werden. Dies alles zu niedrigen Löhnen und unter krankmachenden Arbeitsbedingungen.

Die ArbeiterInnen berichten von häufigen verbalen und körperlichen Übergriffen. Oft ist der Abschluss der Vertragslaufzeit Bedingung um eine Geldsumme für die Mitgift zu bekommen. Auch wenn die Frauen ihre Verträge erfüllen, erhalten sie die versprochen Summe trotzdem nicht. Die Gewerkschaften sind aufgrund der enormen Opposition ihnen gegenüber schwach. Am dramatischsten erweist sich die Lage der ArbeiterInnen in den Spinnereien.

Was ist zu tun?

Markenunternehmen und Einzelhändler haben Versprechungen gemacht, die Arbeitsrechtsverletzungen bei ihren Lieferanten zu beseitigen. Einige Unternehmen sind Teil von Compliance Initiativen oder Multi-Stakeholder-Initiativen, andere entwickeln ihren eigenen Ansatz - einschließlich gründlicher Untersuchungen und Sozial-Audits bei ihren Zulieferern. Diese Bemühungen hatten einige positive Effekte, vor allem in den produzierenden Fabriken, die ihre Kleidungsstücke direkt an westliche Käufer liefern. SOMO und ICN müssen allerdings dennoch zusammenfassen, dass noch zu viele Unternehmen bei der Umsetzung der Verbesserungen immensen Rückstand haben.

Zu den zukünftigen Herausforderungen im Kampf gegen Ausbeutungsverhältnisse muss daraufhin gewirkt werden, dass HerstellerInnen und EinkäuferInnen ihre Bemühungen verstärken Transparenz und Einhaltung von Standards für die gesamte Zulieferkette herzustellen und zu gewährleisten. Für wirkliche Veränderung sind Standards unabdingbar. Unternehmen und andere Initiativen, Zertifizierungsstellen und Wirtschaftsverbände sollten ihre Mitglieder verpflichten, dass sie Standards einhalten und bei Missachtung darauf drängen, dass diese ihr Geschäftsgebaren ändern. Die Einhaltung von Mindeststandards sollte nicht weiter freiwillig sein, sondern bindend. Die Gewerkschaftsfreiheit und das Recht auf Tarifverhandlungen sind wichtige Punkte, die es den ArbeiterInnen ermöglichen, ihre Rechte zu verteidigen und die es gilt zu gewährleisten. Unternehmen und EinkäuferInnen sollten aktiv sicherzustellen, dass diese Rechte respektiert und eingehalten werden.

Übersetzung der Pressemitteilung: Christliche Initiative Romero

 

Ergänzender Hinweis von FEMNET e.V.:

Folgende deutsche Unternehmen lassen bei den vier untersuchten Fabriken in Indien produzieren: Ernstings Family, NKD , Tom Tailor, u.a.

Videobericht:

Verdammt hoher Preis -Billigmode und die Selbstmordrate bei indischen Arbeiterinnen Interveiw mit Dr. Gisela Burckhardt in der Sendung Monitor vom 21.06.2012

 

 

Kontakt zu diesem Thema:
Dr. Gisela Burckhardt,
Tel. +49 (0)228-94499682,
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