Erfolgreicher Start der bundesweiten Vortragsreise in Bonn – zwei Expertinnen aus Indien berichten über „Die moderne Form der Sklaverei in indischen Spinnereien“

v.l.n.r.: Moderatorin Anna Hoff, Otto Kersten (Geschäftsführer gotsutsumu), Janine Steeger (Journalistin), Michael Pieck (IHK Rhein-Sieg), Dr. Lale Akgün (SPD) und Gisela Burckhardt (FEMNET e.V.). Foto: © Pat Röhringv.l.n.r.: Moderatorin Anna Hoff, Otto Kersten (Geschäftsführer gotsutsumu), Janine Steeger (Journalistin), Michael Pieck (IHK Rhein-Sieg), Dr. Lale Akgün (SPD) und Gisela Burckhardt (FEMNET e.V.). Foto: © Pat RöhringWissenschaftlerin Dr. Anibel Ferus-Comelo und die Mitarbeiterin der NGO SAVE Mary Viyakula haben am Montag, 9. Mai, ihre bundesweite Vortragsreise in den Räumen der Bonner Friedrich-Ebert-Stiftung gestartet. Vor etwa 80 Interessent*innen stellten sie die neue Studie „Die moderne Form der Sklaverei in indischen Spinnereien“ (PDF-Datei), erstellt von Ferus-Comelo im Auftrag von CIVIDEP India und FEMNET. Diese untersucht das ausbeuterische Camp-Labour-System.

Zunächst stellte Ferus-Comelo die Grundzüge des Systems vor: Anwerben von jungen Mädchen zwischen 14 bis 18 Jahren, unbezahlte Überstunden und Schichtarbeit, körperliche Misshandlungen bis hin zu Vergewaltigungen und Bezahlung unter dem staatlich festgelegten Mindestlohn.

Dr. Anibel Ferus-Comelo während ihres Vortrags. Foto: Foto: © Pat RöhringDr. Anibel Ferus-Comelo während ihres Vortrags.
Foto: Foto: © Pat Röhring
Im Anschluss schilderte Mary Viyakula eindrücklich Schicksale von jungen Mädchen, die durch ihre Arbeit in den Spinnereien langfristige gesundheitliche Schäden erlitten oder vor Ablauf der dreijährigen Frist zu Tode kamen. Die Todesfälle lassen sich zum Teil nicht aufklären; auch weil die Fabriken die Fälle vertuschen oder Ermittlungen erschweren. Zumindest in einigen Fällen konnte aber dennoch ein Fremdverschulden nachgewiesen werden. Viyakula dokumentiert die Fälle seit Jahren für SAVE.

Ferus-Comelo und Viyakula sind sich sicher: Einkaufende Unternehmen und die westliche Zivilgesellschaft dürfen die Ausbeutung der jungen Mädchen nicht länger hinnehmen. In Deutschland müsse aktiv an Gesetzen und Leitlinien gearbeitet werden, die moderne Sklaverei unmöglich machen. Als Beispiel, wie es funktionieren könnte, wurde Großbritannien genannt, wo im März 2015 der Modern Slavery Act verabschiedet wurde. Seitdem müssen Unternehmen jährlich über Maßnahmen zur Bekämpfung von Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen berichten. Außerdem, so die beiden Expertinnen weiter, müssten die gewerkschaftliche Arbeit vor Ort gestärkt und Arbeiter*innen zu ihren Rechten geschult werden. Die globale Vernetzung zwischen den Organisationen vor Ort und internationalen Partnern sei hierfür essentiell.

Wie das konkret aussehen könnte, wurde anschließend auf dem Podium unter der Moderation von Anna Hoff diskutiert. Otto Kersten, Geschäftsführer von gotsutsumu, verwies darauf, dass die vollständige Transparenz von Produktionsketten durchaus gewährleistet werden könne. Vieles sei lediglich eine Frage des Wollens. Michael Pieck, CSR-Berater der IHK Rhein-Sieg, ergänzte, dass es Einzelhändler*innen mit Interesse an ökofairer Bekleidung möglich sein müsse, sich auf die Information der Unternehmen zu verlassen. Einig waren sich die Diskutanten darin, dass sich immer mehr Menschen die Frage nach einem verantwortungsvollen Konsum stellten. Daraus folgten leider nicht immer Taten, so die SPD-Politikerin und Vertreterin von newtrade nrw, dem Büro für nachhaltige Beschaffung, Dr. Lale Akgün: „Wir können nicht sagen, dass wir nicht auf Kosten anderer leben wollen, und es trotzdem tun.“ Für sie ist klar, dass die öffentliche Hand mit guten Beispiel vorangehen müsse, dies aber auch dauern könne. Dennoch seien zunehmend öko-faire Standards als Auswahlkriterien in Ausschreibungen integriert. Dr. Gisela Burkhardt von FEMNET betonte zum Abschluss, dass die Hauptverantwortung für die Herstellung von menschenwürdigen Arbeitsverhältnissen bei den Unternehmen liege. Diese sollten die Produktionsketten transparent machen und verantwortlich mit den benötigten Ressourcen umgehen. Die Rolle der Konsument*innen bestehe allerdings darin, so Janine Steeger, die für das Kölner Modelabel Lanius eine faire Basics-Kollektion entwickelt hat, beständig Fragen zu stellen und Druck auf Unternehmen auszuüben – damit sich die Strukturen ändern und nicht jeder beim Einkaufen schlechtes Gewissen haben muss.

In den kommenden Tagen sind Dr. Anibel Ferus-Comelo und Mary Viyakula in ganz Deutschland unterwegs.

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